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Grenzen

Grenzen sind etwas Selbstverständliches, der Umgang damit überhaupt nicht. Unser Leben beginnt mit einer sehr intensiven Erfahrung von Einheit (während der Schwangerschaft), die physisch gesehen jäh mit der Geburt endet, emotional aber noch für einige Jahre ein langwieriger Prozess bleibt – in dem wir einerseits erfahren, dass es Grenzen zwischen uns und der Welt gibt, in dem wir andererseits aber auch lernen, diese Grenzen zu respektieren, neu zu verhandeln oder zu überwinden.


Im Grunde geht es dabei um die Frage: "Wo höre ich auf und wo beginnt der andere?" Im Laufe unsere Persönlichkeitsentwicklung durchlaufen wir als Kind und Jugendliche viele Phasen der "Ich-Werdung", in denen unsere eigenen Autonomie und Identität im Vordergrund steht. Währenddessen geht es darum, diese individuelle Identität in einen Zusammenhang von Beziehungen, Gemeinschaft, Kooperation und Zusammenhalt zu stellen und unsere Verbundenheit mit der Welt immer wieder neu zu definieren.


Im alltäglichen Leben helfen uns Grenzen somit in vielfacher Weise, unsere körperliche, emotionale oder geistige Identität zu definieren. Zeitliche Grenzen helfen uns, unseren Alltag zu strukturieren und geben uns Halt. Manche Grenzen erleben wir innerlich, andere begegnen uns äußerlich und werden zum Gegenüber, zur Vorgabe, zur Einschränkung oder zur Herausforderung.


Grenzen können dabei gesund, starr oder schwach sein und dienen meist dem Schutz unserer eigenen Integrität. Sie regulieren Nähe und Distanz in Beziehungen, brauchen unsere Fähigkeit zur Selbstregulation und helfen uns, im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Verbundenheit gut zu navigieren.


Wir lernen den Umgang mit Grenzen anfangs durch unsere nahen Bezugspersonen als Kind, später durch andere Rollenbilder und Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen. Dieser Vorgang ist keineswegs geradlinig und mühelos, er kann an vielen Stellen gestört und aus dem Gleichgewicht gebracht werden (z.B. durch traumatische Erfahrungen oder ungeeignete Erziehungsstile).


Typische Schwierigkeiten sind dabei:


  • Grenzen nicht angemessen setzen können: Ich passe mich an, gebe meine Bedürfnisse schnell zugunsten der Wünsche anderer auf und versuche dadurch Harmonie aufrecht zu erhalten.

  • Grenzen zu starr halten: Ich trenne mich von meiner Umwelt ab, isoliere mich und ziehe mich zurück, damit ich der ständigen Neuverhandlung von Grenzen aus dem Weg gehen kann.

  • Grenzen anderer nicht respektieren: Ich will die Ereignisse um mich herum kontrollieren und übergehe dabei die Bedürfnisse meiner Umgebung; Sie sind mir entweder nicht bewusst oder ich beurteile sie als unwichtiger als meine eigenen.


Ein gesunder Umgang mit Grenzen braucht eine starke Selbstwahrnehmung: "Was fühle ich, was brauche ich gerade?" Erst wenn wir wissen, was uns fehlt oder was uns zu viel ist, können wir etwas machen, damit wir uns besser fühlen. Dazu kann beispielsweise gehören, das wir klar und deutlich unser "Ja" oder "Nein" zu etwas sagen oder körperliche Signale ernst nehmen (z.B. Stress, Müdigkeit, Enge) und entsprechend darauf reagieren.


Grenzen wollen gut und eindeutig kommuniziert werden – sie brauchen eher einen Dialog, als eine Mauer, die den Austausch schwierig macht. Und auch Schuldgefühle sind keine guten Begleiter, weil sie unsere Argumente verzerren und durch die Ambivalenz, die sie in uns auslösen eher Verwirrung als Klarheit beim Gegenüber bewirken.


Therapie kann einen sehr wichtigen Beitrag zur Gestaltung von Grenzen leisten. Schon allein, dass der therapeutische Raum durch solide Rahmenbedingungen (z.B. Dauer, Geld, Freiwilligkeit, Aufklärungspflicht, ethische Standards) abgesteckt ist, aber noch viel mehr durch die inhaltliche Beschäftigung damit, wo die Grenzen innerhalb der Klientenperson liegen, spürbar werden oder neu gesetzt werden wollen. Durch die einfühlsame und wertschätzende Wahrnehmung der Gesamtsituation kann ein viel deutlicheres Bild davon entstehen, wo und wie es eine Verschiebung oder Neuverhandlung von Grenzen braucht. Aus deiner anfänglichen Überforderung kann dabei schrittweise Klarheit werden.


Fazit: Grenzen sind keine Mauern, sondern Türen mit einem Schloss, dessen Schlüssel wir selbst in der Hand halten. Im Spannungsfeld zwischen Schutz (Autonomie) und Verbindung (Abhängigkeit) suchen wir zeitlebens nach einer guten Balance, die unser Wohlgefühl fördert; Grenzen definieren dabei unsere Standort innerhalb dieses Feldes und machen ihn auch für andere erkennbar, sodass ein angemessener Umgang damit möglich wird.





ree


 
 
 

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