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Gewaltfreie Kommunikation

Meine erste Begegnung mit der Gewaltfreien Kommunikation verlief nicht besonders glücklich; Ich lernte sie in meinen Dreißigern kennen und dachte mir "Ist sicherlich sinnvoll, aber in seiner Form zu sperrig und in der Praxis kaum brauchbar." Und so stellte ich meine damaligen Unterlagen wieder ins Regal und vergaß sie — obwohl sie mir in der damaligen Zeit ein hilfreicher Begleiter gewesen wären! Etwa 15 Jahre später kam ich in meinem klinischen Praktikum erneut mit ihr in Berührung, diesmal in einer pragmatischen Weise und viel weniger freiwillig: Ich war aufgefordert, Patientengruppen im Krankenhaus in die Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation (kurz: GfK) einzuführen, was manchmal besser, manchmal weniger gut gelang. Da es sich dabei um psychisch leidende Menschen handelte und die meisten von ihnen in ihrem Leben noch nie davon gehört hatten, mussten die Kernbotschaften simpel, anwendbar und einladend sein. Diese zweite Begegnung mit der GfK eröffnete sie auch mir noch einmal neu und ich verstand viel besser, was die grundlegende Absicht war. Hier fasse ich in einfachen Worten zusammen, was ich davon verstanden habe:


Marshall B. Rosenberg entwickelte in der 1960er-Jahren diese "Sprache", weil er davon überzeugt war, dass wir in einer konfliktreichen Welt eine Form von Austausch brauchten, die sich nicht der allgemeinüblichen Abwertungen bediente, sondern die eine "Brücke des Selbstwerts" baute und aufrecht erhielt: "Du hast Wert und hast etwas Wichtiges zu sagen und auch ich habe Wert und will gehört werden." Damit das gelingt bedient sich die GfK einerseits Aussagen in Ich-Botschaften und versucht andererseits möglichst viele der vier wichtigen Informationsebenen abzudecken:


  • Sachebene: Was lässt sich (neutral) beobachten?

  • Gefühl: Was fühle ich dabei?

  • Bedürfnis: Was brauche ich?

  • Wunsch: Um was bitte ich?


Die GfK widmet sich also einer möglichst vollständigen und wertschätzenden Beziehungsgestaltung, indem sie danach strebt, das Gegenüber im Dialog mit denjenigen Informationen zu versorgen (oder diese aus den anderen "herauszuhören"), die sie oder er benötigt, um das gemeinsame Wohl zu fördern. Durch die GfK wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass einer oder beide mehr von dem bekommen, was sie eigentlich brauchen. Ein Beispiel aus dem Beziehungsalltag: Statt dem Gegenüber einen Satz wie

"Du sitzt nur vor dem Fernseher, nie redest du mit mir!"


vorzuwerfen, könnte man im Sinne der GfK formulieren:

"In den letzten Tagen hast du abends ferngesehen (Sachebene). Dabei habe ich mich sehr allein gefühlt (Gefühl), ich hätte dir gerne von meinem Alltag erzählt (Bedürfnis). Können wir uns heute einmal zusammensetzen und miteinander reden? (Wunsch)"


Die GfK ist also mit Aufwand verbunden und erfordert ein Minimum an Klarheit darüber, was in mir oder der anderen Person vorgeht (sie funktioniert in beide Richtungen). Das erfordert Übung und braucht Erfolgserlebnisse — dann lohnt sie sich sehr: weil die Gesprächspartner sich vollständiger zeigen können und diese Sprache Nähe und Echtheit fördert, wichtige Zutaten einer gelingenden Beziehung. Besonders die mittleren beiden Komponenten (Gefühl und Bedürfnis) sind wertvolle Begleiter einer intimen Kommunikation und transportieren wesentliche Aspekte unseres Erlebens — die der Andere braucht, um uns als Mensch besser wahrnehmen und verstehen zu können. Dadurch öffnet sich ein Tor dafür, in wohlwollender Weise füreinander dazusein.



Und noch ein wichtiger persönlicher Nachsatz: Es geht bei der GfK nicht um Perfektion oder darum, diese Form des Austauschs möglichst treu und präzise nachzuvollziehen; Alles, was unsere Gespräche dazu bringt, mehr von uns zu zeigen ist hilfreich und kann für das gemeinsame Miteinander ein Gewinn sein.


Buchtipp: Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens

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