Übersetzt aus: Robert A. Masters, „Emotional Intimacy“
Wir alle erleben Trauer, so sehr wir ihren Ausdruck auch dämpfen, aufschieben oder umgehen. Es gibt Trauer über den Tod einer geliebten Person, über gebrochene Versprechen, über verpasste Gelegenheiten, über den großen Schmerz den jemand erlebt, der uns nahe ist, über das kollektive weltweite Leid, über planetare Zerstörung. So viel Trauer und so vielem davon bleibt der volle Ausdruck verwehrt.
Wir fühlen Trauer wenn unser Herz den Verlust von etwas erfasst, das von tiefer Wichtigkeit für uns ist. Sie ist höchst persönlich, auch wenn sie uns dazu anregt, uns weit über die üblichen Grenzen unseres gewöhnlichen Selbstempfindens auszudehnen und uns dabei bis ins Innerste erschüttert. Und sie bricht uns das Herz, egal wie stark dessen „Schale“ auch sein mag. Das gebrochene Herz kann zu einer dunklen Einschnürung (ein verengendes „Zerbrechen in tausend Stücke“) werden oder uns in eine ganz andere Richtung führen; Wenn wir es zulassen, bricht Trauer nicht nur das Herz, sondern es bricht auch uns auf, es öffnet unserem unversehrten Sein und unserer ureigenen Ganzheit einen Weg.
Trauer inkludiert zwar Traurigkeit ist jedoch weit mehr als das. Ihre Tränen brennen und überwältigen uns, doch früher oder später führen sie uns auch in unser Leuchten. Umfassende Trauer reduziert uns ganz auf unseren fühlenden Kern, lässt uns den bloßen Umstand unseres Leidens ganz schonungslos erkennen — und nicht selten auch das der anderen.
Wir beginnen bei „meiner“ Trauer, und manchmal verbleiben wir dort auch, doch manchmal wandern wir auch weiter zu „unserer“ Trauer, wenn die Verletzlichkeit unseres Herzens auszustrahlen beginnt und damit das Leiden derer, die uns nahe sind, in sich aufnimmt. Und dann dehnen wir uns vielleicht noch weiter aus, zu „der“ Trauer, bei der wir das kollektive Leiden spüren und ihm erlauben, uns zu durchdringen — was nicht nur mehr Kummer sondern auch mehr Liebe hervorbringt, eine ursprüngliche und beständige Liebe, die unser bitteres Weinen überdauert. Hier vereinigen sich großer Herzschmerz, enorme Verletzung und tiefe Öffnung in einem und tragen uns durch den höchsten Kummer in eine Weite, die zugleich natürlich mitfühlend und unermesslich ist. In dieser tief empfundenen Weite und einer ungemein rohen Offenheit entsteht letztendlich Raum für uns alle.
Trauer ist eine Leidenschaft — im Gegensatz zu Kummer und Sorge. Und so wie andere Leidenschaften (Wut, Lust, Ekstase) hat sie die Kraft uns zu überwältigen, was gut und schlecht sein kann. Am besten wirkt Trauer, die ungehemmt ist. Viele von uns möchten sie dämpfen oder unterdrücken, vielleicht um mögliche Beschämung zu verhindern; Begräbnisse sind ein gewöhnliches Beispiel dafür. Jeder der bei einer solchen Gelegenheit wirklich klagt und weint, seinen Schmerz offen zeigt, wird als jemand betrachtet, der sich schlecht oder taktlos benimmt. Es überrascht nicht, dass viele von uns noch Jahre später in Therapie landen, um mit der Trauer umzugehen, die niemals ihren vollen Ausdruck gefunden hat.
Frei fließende Trauer ist mehr als nur Druck ablassen oder Schwäche zeigen, vielmehr ist sie ungebundene heilende Lebensenergie, die sich neue Wege im Labyrinth des Selbst sucht und dort Säulen entwurzelt, die uns nicht länger dienlich sind. Trauer kann ein so wilder Sturm sein; ein dunkles und doch leuchtendes Ergießen; ein radikaler Riss im Herzen; ein solch tiefes Hineinsterben ins Leben, das daraus ein wahreres Selbst in uns erwacht.
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